Auch nach mehr als 25.000 Stunden in der Luft gibt es noch Neues zu entdecken – hier ist die Geschichte.
Hong Kong Harbour View Hotel, Mittwoch 01. März 2017. Am Freitagmorgen soll ich wieder nach Frankfurt kommen, der Tag ist dann erledigt, denn so ein 12 Stunden Nachtflug hinterläßt natürlich Spuren. Sonnabend ist Werkstattarbeit am Discus fällig, aber Sonntag habe ich Zeit. Was sagen die Vorhersagen?
Die erste Vorhersagekarte, die ich im Internet suche, lässt den Puls höher schlagen.
Die eng beieinander liegenden Isobaren lassen auf kräftigen Südwestwind schließen. Sie divergieren in Windrichtung leicht, was auf eine Stabilisierung der Atmosphäre schließen lässt, also wohl kein Regen. Ich krame weiter im Internet und finde immer mehr Bestätigungen für meine Prognose, so dass ich mich ein paar Stunden später entschließe, meine Segelfliegerkameraden anzumailen: „Wer will am Sonntag mit nach Porta Westfalica zum Hangfliegen?“ Es dauert ganze drei Minuten, bis sich Simon Apelt, ein noch recht frischer Scheininhaber und Jakob Rudloff, ein junger Flugschüler, bei mir melden. Die nächste mail lautet dann „ausgebucht!“
In den folgenden Tagen verschlinge ich Wetterkarten, und am Sonnabend-abend, als wir im Vereinsheim zusammensitzen und über Wetterlagen diskutieren, gebe ich das Startsignal: „Morgen früh, 06 Uhr am ZOB in Lübeck!“
Simon stellt das Auto zur Verfügung, und bei starkem Regen machen wir uns auf den Weg. Die beiden mögen meinem Optimismus noch nicht so recht trauen, aber als es südlich der Elbe hell wird und aufreißt, steigt die Stimmung. Die Windräder zeigen alle nach Südwesten und drehen kräftig.
Als wir um 08:45 Uhr am Flugplatz eintreffen, sind schon zwei junge Kameraden aus dem Hannoverschen dabei, ihre Flugzeuge, eine wunderschöne Ka 6 und eine LS 1 aufzurüsten. Wenig später erscheint Redolf, unser guter Freund, Helfer und Schlepppilot. Ein Schauer geht noch hernieder, und dann rüsten wir den Bergfalken auf. Mit zwölf kräftigen Armen geht das inzwischen recht schnell.
Um kurz nach halb elf Uhr sitzen Jakob und ich in der D – 0380 und Redolf zieht an. Nach gefühlten 20 Metern fliegt der Bergfalke schon und drei Minuten später klinke ich am Hang aus. Sofort steigt „Opa Hermann“ weiter auf etwas 500 m Seehöhe, und wir fliegen am Hang des Wiehengebirges. Ich will heute nicht über die Weser springen, sondern auf der sicheren Seite westlich der Weser bleiben. Das ergibt natürlich nicht so viele Kilometer, aber eine Aussenlandung würde sicher zur Schlammschlacht ausarten, und dann würde Simon um sein Erlebnis gebracht. Ausserdem soll Jakob in die Geheimnisse des Hangfluges eingewiesen werden. Ich sabbele unentwegt auf den Jungen ein, der sein Glück kaum fassen kann. Einfach immer geradeaus, hin und her und hin und her. Hangflugregeln, Gefahren des Lees, Erläutern der Wetterlage usw. usw.
Nach gut zwei Stunden landen wir wieder in Porta, ich biege mein Kreuz wieder gerade, erleichtere mich kurz, und dann klemmt sich Simon hinten in den Falken. Seil straff – und zweite Runde.
Inzwischen strahlt die Frühjahrssonne vom Himmel und bringt die eingeflossene Kaltluft zwischen der abziehenden und der heranziehenden Front zum Kochen. Nach kurzer Zeit schaffen wir vom Ostzipfel des Wiehengebirges den Einstieg in einen kräftigen Thermikbart, der uns auf über 1.000 m Höhe bringt. Und das kannte ich auch noch nicht! Mit im Bart sind eine ASK 21, ein Duodiscus, ein Discus 2 und – hab ich vergessen. Und nun ist der Bergfalke in seinem Element. Die Schwerpunktverschiebung nach hinten durch meine Heilfastenwoche bekommt auch dem Flugzeug gut. Mit etwa 70 km/h fliegen wir die engsten Kreise im kräftigen Steigen, und das Variometer schlägt bis auf 4 m/s aus. „Opa Hermann“ steigt allen davon. Der Ausblick in der klaren Luft ist grandios. Wir erreichen noch 1200 m Höhe.
Im Südwesten sind die Vorboten der nächsten Front deutlich zu erkennen, die Cumuli zerlaufen, am Hang geht es noch, aber der Wind läßt auch nach, und so entschließen wir und nach zwei Stunden zur Landung. Eine gute halbe Stunde später steht der Bergfalke wieder auf dem Hänger in der Halle, und – es beginnt zu tröpfeln !
Die Regenradarbilder zeigen es deutlich !
Als wir im Auto nach Hause sitzen, sind wir hochzufrieden. 4 Stunden 13 Minuten stehen im Bordbuch, Jakob und Simon sind nach Monaten der erzwungenen Enthaltsamkeit wieder in die Luft gekommen, haben ein neues Flugzeug mit seinen speziellen Eigenschaften, ein neues Segelfluggebiet und eine neue Technik kennengelernt. Alles hat gepasst, das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Und von alledem gibt es schöne Bilder und Filmchen.
Aufgepaßt – zugefaßt ! Und irgendwas geht (fast) immer.
Besonders hervorheben möchte ich die Leistung der beiden jungen Kameraden, die wir am Morgen kennengelernt haben. Mit einer Ka 6 fast 400 km am Hang, mit dem Sprung vom Wesergebirge an den Ith und zurück – eine tolle Lesitung !!! Meinen Glückwunsch !